Wasserrahmenrichtlinie

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

die im Jahre 2000 in Kraft getretene Wasserrahmenrichtlinie wird ihre Ziele bis zum Ende des dritten Bewirtschaftungszyklus 2027 aller Voraussicht nach leider nicht erreichen. 80 Prozent der Oberflächengewässer werden bis zu diesem Zeitpunkt in keinem guten ökologischen Zustand sein, obwohl viel investiert wurde.

Es geht nicht nur darum, DASS man was tut. Die Menschen haben einen Anspruch darauf, dass wir mit Steuergeldern geeignete Maßnahmen ergreifen, die substanzielle Verbesserungen herbeiführen. Und wenn die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht greifen, müssen wir uns neuen, erfolgversprechenderen Ideen zuwenden.

Oder, um im Kontext zu bleiben: Es geht auch im Gewässerschutz nicht darum, das Wasser den Bach hinunterzutragen.

 

Wir müssen uns deshalb die Frage stellen, ob der Grundsatz „One out All out“ wirklich hilft. Das Prinzip besagt, dass sobald auch nur ein Kriterium als „MÄSSIG“ beurteilt wird, alle anderen Kriterien, selbst wenn sie „GUT“ sind, nicht ins Gewicht fallen. Was für Anreize setzen wir, wenn die Verbesserung eines einzelnen Kriteriums versandet, solange auch nur ein anderes Kriterium schlechter bewertet wird.

Was heißt in dem Zusammenhang weiterdenken?

Zum Beispiel müssen wir neben den vier Kriterien der WRRL:

  • am Gewässerboden lebende wirbellose Tiere,
  • Wasserpflanzen und am Gewässerboden anhaftende Algen,
  • schwebende Algen,
  • sowie Fische,

auch neuere Phänomene und andere biologische Qualitätskomponenten berücksichtigen.

So geht es nicht nur um den Eintrag von Schadstoffen aus Industrieanlagen oder der Landwirtschaft, sondern auch um Rückstände aus Medikamenten oder um Kleinplastik, das nicht nur die Meere belastet, sondern auch die Binnengewässer und Wasserläufe. Welchen Einfluss haben Klimawandel, schwache Winter, Temperaturschwankungen, Niedrigwasserstände oder Hochwasserereignisse auf die Wasserqualität? Und wie müssen wir mit diesen Phänomenen unserer Zeit umgehen?

Darauf müssen wir in der Praxis Antworten finden. Die CDU-Fraktion wird deshalb auch neuen Ansätzen gegenüber aufgeschlossen sein.

 

An einem Punkt müssen wir aber aufpassen, dass wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten: Die Herstellung der Durchgängigkeit ist per se ein hehres Ziel. Es geht aber konträr zu anderen Zielen unserer Umweltpolitik – konkret zu den Belangen der Wasserkraft, insbesondere der Kleinen Wasserkraft.

 

Derzeit gibt es in Baden-Württemberg rund 1.700 Wasserkraftanlagen. 66 von ihnen haben eine Leistung von jeweils über 1.000 KW. Diese sind unumstritten. Der Ausbau ist abgeschlossen.

Aber was ist mit den 1.100 Anlagen, die jede für sich höchstens 50 KW leisten und die insgesamt nur zu rund einem Prozent unserer Wasserkraftleistung von 4,9 TWh pro Jahr beitragen? Und was ist mit den potenziellen 40 MW Leistung, die noch installiert werden könnten, wenn wir es mit der Durchgängigkeit nicht immer absolut, sondern im Verhältnis aller Umweltbelange halten würden?

Es kann unserer Meinung nach nicht sein, dass wir auf die nachhaltigste, auf lange Sicht wirtschaftlichste, billigste, leiseste, schadstoffärmste und auch nachts nutzbare Energiequelle verzichten, nur weil wir davon ausgehen, dass dann THEORETISCH die Fischpopulation steigt.

 

Bei mir zuhause im Allgäu – ja, das ist auch ein Teil Baden-Württembergs – hat die Wasserkraft eine hundert Jahre alte Tradition. Die OEW nutzt die Iller schon seit den 1920ern für die Stromerzeugung. Zusammen haben die fünf Laufwasserkraftwerke an der Iller eine Leistung von rund 47 MW und versorgen mit ihren jährlich etwa 188 Mio. kWh rund 54.000 Haushalte mit Strom.

Mühlen wie die Dinkelmühle Graf in Tannheim oder das Anwesen des berühmten Grafikers Otl Aicher in Rotis sind uralt und leisten bis heute solide Energie, die sonst anderweitig erzeugt werden müsste.

Die Fischpopulationen in Argen und Eschach, wie die Lebensadern bei uns heißen, waren einst deutlich höher. Aber mit der Wasserkraft allein kann das nichts zu tun haben: Denn die Wehre sind älter als die Menschen, die sich noch daran erinnern können, wie sie Bachforellen mit bloßen Händen gefangen haben.

 

Wenn Landesfischereiverband, NABU und LNV also unisono sagen: „Der Erhaltung und Wiederherstellung von naturnahen und ökologisch funktionsfähigen Fließgewässern und Gewässerabschnitten muss Vorrang vor dem Bau von weiteren Wasserkraftwerken eingeräumt werden“, dann haben sie eines nicht verstanden: Es geht meist nicht um den Bau neuer Wehre, sondern um die Nutzung des Energiepotenzials, das in vorhandenen Wehren steckt.

Umgekehrt wird doch ein Schuh draus: Erst wenn wir einem Betreiber erlauben, eine Turbine zu installieren, können wir ihn auch dazu verpflichten, die Durchgängigkeit herzustellen. Und zwar ohne dass wir dafür Ökopunkte bereitstellen. Nachhaltiger, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, geht es nicht!

Während wir überall dort, wo Wasserkraft in Verbindung mit einer Fischtreppe betrieben wird, sowohl Durchgängigkeit als auch regenerative Energie haben, haben wir dort, wo kein wirtschaftliches Interesse herrscht, am Ende gar nichts: Weder Durchgängigkeit, noch Energie.

Deshalb plädieren wir als CDU-Fraktion für ein gesundes Maß zwischen der ökologischen Durchgängigkeit und den Interessen der Wasserkraft. Wenn wir ökologisch weiterkommen wollen, geht es nicht gegen die Wasserkraftbetreiber, sondern nur mit ihnen.

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