Aktuelle Debatte zum Wolf in Baden-Württemberg

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Sehr geehrte Frau Präsidentin,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

Das wird nichts mehr mit dem Homo Sapiens und dem Canis Lupus. Da kann Kevin Costner noch so oft mit dem Wolf tanzen - unser Verhältnis zum Wolf wird immer schwierig bleiben. Nicht zuletzt weil er unter anderem in Bad Wildbad gezeigt hat, wozu er fähig ist: ein Blutbad mit angefressenen Leibern, abgerissenen Köpfen, jämmerlich verendeten Schafen.

 

Der Wolf hat es schwer mit uns, wohingegen unser Verhältnis zu seiner domestizierten Variante, dem Canis familiaris, dem Hund, geradezu abenteuerlich vermenschlicht ist. 

Aus dem einst größten Feind des Menschen ist in Mesopotamien vor ca. 30.000 Jahren durch Züchtung der erste Freund des Menschen, der Hund, hervorgegangen. Erst 20.000 Jahre später folgte mit der Zähmung der Bezoarziege und dem Wildschaf sowie mit der Züchtung von Gerste und Linse, Emmer und Einkorn der Sprung vom Jäger und Sammler zum Ackerbauer und Viehzüchter. Spätestens seitdem ist der Wolf bei Landbewirtschaftern auf der roten Liste. Und nicht nur bei denen.

 

Wer sich mit der Geschichte der Kulturlandschaft beschäftigt, der weiß, dass der Mensch vom Land zwischen Euphrat und Tigris auf seinem Weg ins heutige Mitteleuropa all das im Gepäck hatte, was heute sowohl Weidetierhalter wie auch Naturschützer durch die Rückkehr des Wolfs bedroht sehen: Die Kulturlandschaft mit Wiesen, Kräutern, einer Vielfalt an bunten Blumen und dazugehörigen Insekten und Vögeln.

 

Die Weidetierhalter sehen sich heute zum Teil außer Stande ihre Herden vor dem Wolf zu schützen. Es gibt Standorte, an denen ein Schutz durch Zäune schlicht nicht möglich ist. Da helfen 100 Prozent der Anschaffungskosten für Zäune nicht. Da helfen nur 100 Prozent der Arbeitskosten. Aber diese Zusage lässt weiter auf sich warten.

 

Die Naturschützer wiederum haben angesichts steigender Wolfspopulationen Angst, dass durch einen drohenden Rückzug der Weidetierhalter die Offenhaltung der Landschaft und damit auch die Artenvielfalt bedroht sind.

 

Deshalb ist es uns als CDU heute wichtig festzuhalten, dass der Wolf ein Tier ist, wie jedes andere auch! Und wir fragen uns, warum er dann nicht so behandelt wird. Warum ein Abschuss Entnahme heißt und ein illegaler Abschuss als Mord tituliert wird.

 

 

2007 gab es in Deutschland 100 nachgewiesene Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere, 2016 waren es bereits mehr als 1.000 – Tendenz: rasant steigend.

 

Das Bundesumweltministerium geht für 2017 von rund 60 Rudeln und 15 Paaren aus, der Deutsche Bauernverband, der auch Welpen und Jährlinge mit einberechnet und von jährlichen Zuwachsraten von 30 Prozent ausgeht, schätzt den Bestand allein in Deutschland auf bis zu 1.100 Tiere.

Tendenz: rasant steigend.

 

Aktuelle Schätzungen auf  EU-Ebene, die einzelne Wolfspopulationen außer Acht lassen, gehen laut EU-Landwirtschaftsausschuss von einem Gesamtbestand in Europa von um die 20.000 Tiere aus.

Tendenz: rasant steigend.

 

Um es in Bildern, die wir aus der Natur kennen, auszudrücken:

Der Wolf vermehrt sich wie die Karnickel, er benimmt sich wie die Axt im Walde und der Mensch steht davor, wie das Kaninchen vor der Schlange.

 

So, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, können wir nicht ewig weitermachen. Nicht nur die Nutztierhalter, auch der ganz normale Bürger verlangt Antworten. Antworten, die weit über das hinausgehen, was FDP und SPD im aktuellen Gesetzgebungsverfahren fordern. Und auch über das, was die EU auf die Anfrage des Umweltministers bislang geantwortet hat.

 

Selbstverständlich ist zunächst einmal die Europäischen Kommission am Zug: Die Grundlage der FFH-Richtlinie, erarbeitet zu Zeiten des Vertrags von Maastricht (als die EU noch die EWG war) bildet die Berner Konvention von 1979. Damals stand die Mauer noch. Rechts davon wurden Wölfe ohne die EU zu fragen, einfach erlegt. Und links der Mauer gab es keine Wölfe, weil die Mauer nicht nur die Migration von Menschen, sondern auch das Wandern von Wölfen unterband.

 

Heute steht die Mauer nicht mehr. Sachsen und Brandenburg wünschen sich bei der Frage des Umgangs mit dem Wolf die DDR zurück. 300 Wölfe streifen durch Brandenburg. Wissen Sie, was das Umweltministerium da noch macht außer sich um den Wolf zu kümmern?

 

Die Berichte aus diesen Ländern sind erschütternd! Und wir? Wir setzen im Schwarzwald auf Bürgerbeteiligung. Auf Verständnis. Und auf eine Forsa-Umfrage, die besagt, dass 78 Prozent der Menschen die Rückkehr des Wolfes begrüßen, auch wenn er Probleme macht.

 

Ich möchte keinem der Antwortenden zu nahe treten. Aber es würde mich schon interessieren, ob die Antwort nach einem Besuch auf der Schafsweide in Bad Wildbad mit mehr als 40 getöteten Tieren nicht anders ausfallen würde.

 

Was tun? Nach Meinung der CDU Fraktion, gemäß einem Beschluss der Landespartei und gemäß meiner tiefen Überzeugung war es ein Fehler, die FFH Richtlinie vor drei Jahren nicht aufzumachen. Noch nie hat ein Tier den strengen Schutzstatus verlassen. Überall sieht man, wie sich Natur verändert, nur die FFH Richtlinie ändert sich nicht.

 

Aber eine solche Veränderung muss von unten kommen. Die Länder und der Bund, so wie in einer aktuellen Bundesratsinitiative geschehen, müssen gemeinsam mit Schweden, Frankreich und Italien Druck machen. Und die Naturschutz-Lobbyisten müssen einsehen, dass Sturheit in diesem Punkt katastrophale Folgen haben kann.

 

 

Insgesamt zeigt das Thema Wolf nämlich, in welchem Dilemma der Artenschutz steckt:

Der gesamte Artenschutz, vom Wolf über den Biber bis zu Kormoran und Milan, erstarrt rechtlich im Gestern, während sich die Populationen erholen und die Folgen daraus immer gravierender werden.

 

Tiere sind Mitgeschöpfe – Ihr Schutz und ihr Erhalt ist des Menschen Pflicht.

 

Das hält uns aber nicht davon ab, Nutztiere zu halten, Fische zu fangen und den Bestand von Rehen, Rothirschen, Wildschweinen und Füchsen zu regeln. Warum also sollte uns diese Pflicht davon abhalten, den Bestand einst gefährdeter Tiere zu regeln, die heute andere Tiere und den Erhalt der Kulturlandschaft gefährden?

 

 

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen,

 

Ich persönlich habe keine Angst vor dem Wolf. Meine Begegnungen mit ihm in Idaho, Yukon und Ontario haben das bestätigt, was viele Naturschützer sagen: Er ist scheu und geht dem Menschen aus dem Weg.

 

Aber kann er das in einem Land, das so zersiedelt und überplant ist wie das unsere? Nein, das glaube ich nicht. Und die Erfahrungen mit anderen Wildtieren zeigen ja: Nur dort, wo Bestände reguliert werden und die Angst vor dem Menschen real ist, bleiben Wildtiere wirklich wild. Anderswo essen Füchse aus Mülleimern, tummeln sich Schweine in Maisäckern und vergnügen sich Dachse in Vorgärten. Ich möchte nicht darauf warten, bis Wölfe an Kindergärten vorbeimarschieren.

 

Mich treiben andere Gedanken viel mehr um: Ich habe Angst vor einer ganz leise und lautlos verschwindenden Weidehaltung, vor Rückschlägen in der naturschutzfachlich dringend notwendigen Bewirtschaftung von Magerstandorten. Ich habe Angst vor der Reaktion von Menschen, die, so sehr man sie auch beruhigen mag, Angst vor dem Wolf haben und die klammheimlich Gebiete meiden, in denen er sich herumtreibt.

 

Wir begrüßen daher die Richtung, welche die Kommission mit den aktuellen Beschlüssen eingeschlagen hat. Wir bringen aber auch deutlich zum Ausdruck, dass wir von EU, Bund und Land weitere Schritte erwarten.

 

In einer sich wandelnden Landbewirtschaftung brauchen wir mehr denn je überzeugte Weidetierhalter - Ihnen gebührt unsere ganze Aufmerksamkeit.

In einem sich verändernden Freizeiterholung brauchen wir touristische Naherholungskonzepte.

Und in einer erhöhten Aufmerksamkeit für die Biodiversität ist es wichtig, dass man nicht einzelne Tiere oder Arten, sondern den gesamten Naturraum im Blick hat.

 

Das alles lassen wir uns von einem ideologisch motivierten, auf Einzelarten beschränkten Ökofanatismus nicht kaputtmachen.

 

Deshalb, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, muss der Canis Lupus sich an den Homo Sapiens gewöhnen. Und nicht andersherum.

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