Mündliche Anfrage: Streuobst in Baden-Württemberg

Abg. Raimund Haser CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in Baden-Württemberg ungefähr neun Millionen Streuobstbäume aller Art. Das ist ungefähr die Hälfte dessen, was es in Deutschland gibt. Deswegen ist uns die Zukunft dieser Streuobstbestände wichtig. Ein wichtiger Aspekt ist die Frage, ob wir das, was von dort heruntergenommen wird oder herunterfällt, vermarkten können. Deswegen frage ich die Landesregierung:

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a) Wie groß sind die Obsternten aus den Streuobstbeständen in Baden-Württemberg?

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Präsidentin Muhterem Aras: Vielen Dank. – Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Staatssekretärin Gurr- Hirsch.

Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Sehr geehrte Frau Präsidentin, lieber Herr Abg. Haser, liebe Kollegen und Kolleginnen! Auf Ihre Frage, wie groß die Obsternten aus den Streuobstbeständen sind, kann ich mich nur einer Antwort nähern. Das heißt, da gibt es den Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie; dieser ermittelt gewissermaßen bundesweit eine Ernteprognose, auf der dann diese Zahlen beruhen. Das geschieht in Oberschwaben, im Kompetenzzentrum Obstbau- Bodensee in Bavendorf. Das ist eine sogenannte Kelterapfel- Behangdichtenschätzung – so nennt sich das.

Da möchte ich die letzten Jahre ein Stück weit reflektieren: Zwischen 2008 und 2017 wurden hier unterschiedliche Werte erzielt. Ich möchte mich jetzt darauf beschränken, die niedrigsten und die höchsten einander gegenüberzustellen. Das ist, denke ich, das Eigenartige am Streuobst, dass es da eine Alternanz gibt.

Wir haben negative Ausreißer. Diese waren in den Jahren 2013 und 2017 – das ist sicherlich noch in aktiver Erinnerung – dem Frost geschuldet. 2009 hatten wir 350 000 t, 2013 hatten wir 300 000 t. Die positiven Ausreißer beziehen sich auf das Jahr 2014, als wir 800 000 t hatten, und 2016, als es 700 000 t waren. Man kann daraus für Deutschland einen Mittelwert bilden, dieser liegt dann irgendwo bei 500 000 t.

Wenn man jetzt davon ausgeht – was der Kollege schon angedeutet hat –, dass wir in Baden-Württemberg mit den genannten neun Millionen Bäumen die Hälfte aller Streuobstbäume in Deutschland haben, dann können wir unterstellen, dass 50 % von diesen 562 000 t in Baden-Württemberg erzeugt werden, nämlich um die 280 000 t. Wie gesagt: Das hängt von den Witterungen und der dem Streuobst innewohnenden Alternanz ab.

Es gab noch eine zweite Frage, die Sie leider jetzt nicht vorgetragen haben. Vielleicht können Sie sie noch kurz zu Gehör bringen.

Präsidentin Muhterem Aras: Es gibt eine Zusatzfrage. – Herr Abg. Haser, bitte.

Abg. Raimund Haser CDU: Was geerntet und gekeltert wird, sollte auch konsumiert werden, deshalb die Frage:

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b) Wie hat sich der Apfel- und Fruchtsaftkonsum aus Streuobstbeständen in den vergangenen 20 Jahren entwickelt?

(Lachen der Abg. Gabi Rolland SPD – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Aufgegliedert nach Sorten! – Vereinzelt Heiterkeit)

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Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Er hatte sie schriftlich eingereicht, deshalb wusste ich, dass es noch eine zweite Frage gibt.

Der Fruchtsaftkonsum hat sich deutlich abgeschwächt; er ist in den letzten Jahren stark gesunken. Das ist insofern von Bedeutung, als unsere Streuobstbestände auch FFH-Gebiete sind, Kulisse für die Vogelwelt. Wenn es keine Verwertung gibt, besteht die Gefahr, dass der Streuobstanbau, der ohnehin mehr Hobby und nicht unbedingt wirtschaftlich ist, noch weiter zurückgeht. Wenn der Konsum von Apfelsaft aus dem Streuobst zurückgeht, dann ist dies schon von einer gewissen Bedeutung für die Zukunft des Streuobstes.

Ich darf sagen, dass wir 1980 bis 2005 einen kontinuierlichen Anstieg hatten. Die Menschen haben immer mehr Apfelsaft zu sich genommen. Mit den Fruchtsäften zusammen waren es 30 Liter pro Kopf. 2005 waren es 40 Liter und 2017 nur noch 32 Liter Fruchtsäfte und Fruchtnektare. Das ist ein Rückgang um ca. 20 %.

Beim Apfelsaft war die Tendenz noch deutlicher: Dort hatten wir 2005 einen Verbrauch von 12,4 Liter pro Kopf und Jahr, und 2017 waren es nur noch 7,6 Liter. Dies bedeutet einen Rückgang um fast 39 %. Das macht uns natürlich schon Sorgen. Man kann noch die Apfelsaftschorle benennen, die extra erfasst wird. Dies sind etwa 7,5 Liter; auch dort ist gegenüber dem Jahr 2005 ein Rückgang um über 30 % zu verzeichnen.

Dieser starke Verbrauchsrückgang ist im Besonderen beim Apfelsaft im Vergleich zu den sonstigen Fruchtsäften festzustellen. Deshalb, denke ich, muss man sich schon Gedanken machen, wie man Streuobstbestände auch anders nutzen und die Bewirtschafter unterstützen kann. Dafür gibt es die Streuobstkonzeption, bei der wir sehr viel Begleitung geben. Gefragt sind immer innovative Produkte. Dafür gibt es super Beispiele, aber es kann natürlich nicht alles nur in „spirituoser" Nutzung münden.

Was könnte man tun? Man kann natürlich dafür werben, Apfelsaft zu trinken, speziell aus Streuobstbeständen, da vor allem dieser Antioxidantien enthält; möglicherweise schützen diese in besonderem Maß auch vor Krebs.

Präsidentin Muhterem Aras: Es gibt weitere Zusatzfragen, zum einen von Herrn Abg. Dr. Bullinger und danach von Herrn Abg. Burger.

Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Frau Staatsekretärin, bisher haben wir gehört: Verwertung des Streuobstes über Säfte, Gummibärchen und was man sonst noch alles machen kann. Ein Punkt wurde bisher jedoch noch nicht genannt: die Bedeutung des Wegfalls des Branntweinmonopols. Das war bislang eine Stütze, gerade auch, um die unsere Kulturlandschaft prägenden Streuobstbestände erhalten zu können.

Wie beurteilen Sie dies? Wie groß war in etwa die Verwertung, die jetzt aufgrund des Wegfalls des Branntweinmonopols nicht mehr vorhanden ist? Wie sehen Sie – darüber haben wir gestern diskutiert – die neue Gemeinsame Agrarpolitik, die GAP, und die Frage, wie man dort solche Aspekte über die zweite Säule weiter berücksichtigt?

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(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Mehr trinken!)4092

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Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Das ist ein konfliktbeladener Rat, lieber Herr Drexler, mehr zu trinken. Ich würde sagen: genießen in moderater Art und Weise.

Aber zu dem, was Sie ansprachen, Herr Bullinger: Wir haben bei den wirklich professionellen Brennern bislang keine großen Klagen zu verzeichnen. Sie haben versucht, sich durch Alleinstellungsmerkmale, durch besondere Produkte und besondere Auftritte mit sehr viel Professionalität einen eigenen Absatzmarkt zu erarbeiten. Dennoch müssen wir abwarten, bis man statistisch erfassen kann, wie viel tatsächlich möglicherweise als Restbestand da ist.

Man muss sich bei der Kampagne „Natürlich. VON DAHEIM" sicher auch Konzepte überlegen, wie man hier die Produkte von den Kleinstbrennern so bündeln kann, dass diese für den Fachhandel oder auch für den Lebensmitteleinzelhandel als unverwechselbares Produkt zu offerieren sind. Hier ist Bündelung angesagt; hier ist auch ein Stück weit Profilschärfung angesagt. Da ist man bereits in dieser Strategie unterwegs. Aber das müssen natürlich auch die Erzeuger selbst wollen.

Herzlichen Dank für die Frage. Ich habe schon gedacht, ich muss den Kollegen Bullinger verabschieden, ohne dass er mich noch einmal etwas gefragt hätte.

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(Heiterkeit)

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Präsidentin Muhterem Aras: Jetzt Herr Abg. Burger, bitte.

Abg. Klaus Burger CDU: Frau Staatssekretärin, wir haben ja mit diesen 100 000 ha Streuobstwiesen einen Schatz in Baden-Württemberg. Das ist das größte zusammenhängende Streuobstwiesennetz, das wir in Europa haben. Ich glaube, Sie sind mit mir einig, dass wir diesen Schatz nur erhalten können, wenn wir eine Wertschöpfung aus diesen Beständen generieren können. Deswegen habe ich zwei Fragen:

Gibt es Anhaltspunkte, welche qualitativen Anteile der Most, die Säfte, die Brände, der Cidre und andere Produkte haben? Welcher Anteil dieser Produkte wird vermarktet, und welcher Anteil wird selbst konsumiert?

Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Darüber habe ich keine Zahlen vorliegen, da muss ich Sie jetzt enttäuschen. Da gibt es keine verwertbaren Anhaltspunkte, die ich Ihnen mitgeben kann. Aber ich würde es gern mitnehmen, um das dann im Haus eruieren zu lassen.

Präsidentin Muhterem Aras: Vielen Dank. – Jetzt hat Herr Abg. Dr. Rösler eine Zusatzfrage.

Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Liebe Frau Staatssekretärin, es gab einmal die ZMP, die Zentrale Markt- und Preisberichtstelle, in Zeiten, als Sie schon einmal Staatssekretärin waren. Diese wurde ja aufgelöst. Es gibt eine Nachfolgeorganisation, die AMI – Agrarmarkt Informations-Gesellschaft –, die ebenfalls Daten erhebt, u. a. zum Thema Bio-Streuobstbau.

Die AMI hat jetzt Anfang des Jahres das erste Mal die Daten auch nach Bundesländern aufgegliedert veröffentlicht. Wir haben demzufolge – darauf können wir stolz sein – in Baden- Württemberg über 9 000 ha Bio-Streuobstbestände. Die Daten werden von dieser Gesellschaft erhoben.

Meine Frage an Sie: Gibt es beim MLR Kontakte zur AMI, gibt es da irgendeine strukturelle Unterstützung? Ich glaube es nicht; das ist, glaube ich, auch nicht mehr zulässig, wie es früher bei der ZMP war. Wie sieht es aus mit einem Datenaustausch oder Ähnlichem mit der AMI, um gerade auch die in diesem Bereich durchaus führende Stellung Baden-Württembergs – Bayern liegt mit über 8 000 ha Bio-Streuobstbeständen knapp hinter Baden-Württemberg – zu halten, um diesen Fachaustausch mit der AMI zu organisieren? Gibt es da Kontakte, und, wenn ja, in welcher Form?

Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Ich selbst hatte diese Kontakte nicht. Ich werde im Haus nachfragen, ob sie bestehen. Wenn nicht, werde ich mit der zuständigen Geschäftsführung Kontakt aufnehmen, um daraus ein Stück weit auch eine konstruktive Zusammenarbeit abzuleiten, um dann gerade das besondere Pfund des zertifizierten Bioapfelsafts auch besser in Wert setzen zu können.

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(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Danke!)

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– Gern.

Präsidentin Muhterem Aras: Vielen Dank. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Behandlung der Mündlichen Anfrage unter Ziffer 3 beendet. – Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Gurr-Hirsch.

Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Danke.

 

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